Prof. Dr. Burghardt Wittig
 

Mit der Gen-Gun auf Virenjagd -

Der Molekularbiologe Burghardt Wittig, Zitty 2/2000

Das Institut::
Institut für Molekularbiologie und Bioinformatik, FU Berlin
Das Projekt:
Minimalistic, Immunogenically Defined Gene Expression (MIDGE)
Das Ziel:
Vermeidung des Risikos bei gentherapeutischen Verfahren,
Eindämmung von Krankheiten wie Malaria und Krebs.
Er will heilen. Man glaubt es ihm sofort. Denn der weißhaarige, sonnengebräunte Mann im besten Chefarztalter könnte mit Links jeden TV-Doktor an die Wand spielen, so viel Souveränität und Güte strahlt er aus, selbst wenn er, wie auf dem Foto, eine Gen-Gun hält, jenes Instru-ment, mit dem man Gen-Material unter die Haut schießen kann. Und mit Midge hält Burghardt Wittig jetzt sogar eine Schlüsseltechnologie in den Händen. Midge steht für Minimalistic, Immunogenically Defined Gene Expression. Diese Genfähre kann Todesfälle wie den des amerikanischen Gentherapie-Patienten Jesse Gelsinger verhindern und verspricht das Ende einiger Geißeln der Menschheit. Lange Zeit wollte Wittig nicht als Arzt arbeiten.

„Die Medizin machte zwar enorme Fortschritte in der Technik“, so meint er heute im Rückblick auf seine Studienjahre. „Sie hatte aber wenig gelernt, die Ursachen von Krankheiten zu erforschen.“ Der Kritiker der Schulmedizinstudierte daher parallel Physik, erlernte den Beruf des Hörgeräte-Akustikers und entschied sich für die molekularbiologische Forschung. „Wenn man es nur weit genug sieht“, holt der Begründer des FU-Instituts für Molekularbiologie und Bioinformatik aus, „dann sind die Krankheiten, die wir bekommen, nichts anderes als erworbene genetische Defekte.“ Ob Herzinfarkt, Diabetes, Arteriosklerose oder Krebs, fast alle Krankheiten hätten ihre Ursachen in Fehlfunktionen der genetisch gesteuerten Signalübertragungskaskaden. „Selbst Phänomene wie Stress oder Überarbeitung“, sagt Wittig, „sieht man heute als Einfluß von mentalen und emotionalen Zuständen auf bestimmte Signalkaskaden. ,Das Immunsystem ist schwach‘ heißt: Bestimmte biochemische Verbindungen wirken.“

Seit den 60er Jahren macht das Wort von der „ewigen Jugend“, vom „Körper ohne Verschleiß“die Runde. Es müsse nur noch die menschliche Erbsubstanz entschlüsselt werden, so meinen Visionäre wie der viel zitierte und genauso umstrittene US-amerikanische Genetiker Lee Silver. Spätestens im Jahr 2003 sind die beiden Projekte zur Entschlüsselung der menschlichen Erbsubstanz HUGO (Human Genome Project) und der Konkurrent Craig Venter mit „Celera“ am Ziel. Dann scheint Heilung nur noch ein technisches Problem: Rein in den Zellkern, defektes Erbgut reparieren odergleich auswechseln wie einen platten Reifen. Bisher jedoch sind die euphorisch angekündigten Gentherapien nur lange Geschichten des Scheiterns. Viele Forscher halten Phantasien vom Auswechseln und An- und Ausknipsen der Gene inzwischen für überzogen. So ist Erhard Geissler, Nestor der ostdeutschen Molekularbiologie, zwar optimistisch, dass man schnell Funktionen verstehen wird; ein gezieltes Eingreifen in das hyperkomplexe Zusammenspiel biochemischer Vorgänge schließt er für die nächsten Jahrzehnte aber aus. Nicht in dem Gen, allenfalls in den folgenden Prozessen, die Signale übertragen, könne man operieren. Auch Wittig meint vorsichtig, dass das Maß entscheide: Wie oft wird ein Gen von der RNA abgelesen, wieviel Genprodukte werdenwann erzeugt?

Für ein akutes Problem hat Wittig hingegen eine Lösung parat. Gegenwärtig gleicht der Transfer von Genmaterial in die Zellen Russischem Roulette. In den sogenannten „Genfähren“, zumeist umgebauten Viren, steckt noch „überschüssige“ Erbinformation, die zu tödlichen Nebenwirkungen führen kann – in den USA sind neun Todesfälle in gentherapeutischen Verfahren bekannt. Mit Hilfe der Midge-Technologie jedoch können nun Genfähren so konstruiert werden, dass sie nur die gewünschte Erbinformation enthalten. Damit ist die Midge ein entscheidender Baustein für die Medizin der Zukunft. Und Auslöser einer Gründergeschichte, die zum erfolgreichen Börsengang der Mologen AG führte und Wittig den Titel „Unternehmer des Jahres 1999“ verschaffte. Wittig hat die Potenziale des FU-Instituts, also Forscher beispielsweise und Labor, mit denen der privatwirtschaftlichen Mologen AG verknüpft, einem Biotechnologie-Unternehmen, das DNA-Moleküle herstellt und dessen Aufsichtsratsvorsitzender er ist. So kann er seine Forschungsergebnisse in Kapital verwandeln, sie bis zur Produktreife in der eigenen Hand behalten und sich Unabhängigkeit sichern. Die Forscher halten Aktienanteile.

Der Wert der Aktien hat sich mittlerweile verdoppelt. „Die Midge ist so begeisternd“, meint Wittig, „weil sie ursprünglich nur für die Grundlagenforschung geschaffen wurde“. Doch mit ihrer Hilfe könne man nun die Risiken herkömmlicher Impfungen vermeiden und Impfstoffe so kostengünstig entwickeln, dass sie nicht nur der Bevölkerung der Industrieländer zu Gute kommen. Malaria, Krebs, HIV, Diabetes, meint er, könnten eingedämmt werden. Momentan arbeitet Wittig an FIV, einem Virus, das bei Katzen ein ähnliches Krankheitsbild erzeugt wie HIV beim Menschen. Auf Grundlage der Tests mit FIV, meint Wittig, ließe sich HIV attackieren. Auf einen zugelassenen Impfstoff, schränkt er ein, könne man allerdings erst ab 2004 hoffen. Optimistischere Prognosen sind verantwortungslos: gegenüber den Kranken und ihrem Umfeld. Und den Aktionären von Mologen.

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Berlin, den 14. Januar 2000

Mologen Holding AG

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